8 Zoll Newton Teleskop
- Optischer Tubus und Anbauteile -


Letztes Update: 29.03.08
 
Auch bei der Behausung für den selbstgeschliffenen Spiegel ist Selbstbau angesagt. Man will ja schließlich seine eigenen Ideen verwirklichen...


Ein provisorischer Zusammenbau zum First Light, auf einer Dobson-Montierung.


Gesamtkonzept des Newtons:

Abweichend zu den handelsüblichen Instrumenten hat der optische Tubus folgende zusätzliche Funktionen:

- Der Brennpunkt kann in zwei verschiedene Positionen gebracht werden, um einerseits optimale Gegebenheiten für kontrastreiche Planetenbeobachtung zu erreichen, zum anderen aber Fotografie mit Kleinbildkameras zu ermöglichen. Dazu kann der Hauptspiegel in der Fassung auf einfache Weise um 45mm verschoben werden.

- Der Fangspiegel kann ausgewechselt werden, um mit einem großen Fangspiegel die Ausleuchtung des Bildfeldes zu verbessern. Durch eine justierkonstante Schnellverbindung des Fangspiegelhalters mit den Haltestreben erfolgt der Wechsel in wenigen Minuten.

- Der vordere Tubusteil mit dem Okularauszug ist rotierbar. Das erspart das Drehen des gesamten Tubus in den Rohrschellen, wenn die Einblickposition verändert werden soll. Dazu wird ein spielfreier Drehkranz in den Tubus integriert.



 

Kenndaten des Newtons

      
 effektiver Hauptspiegeldurchmesser  204mm
 Brennweite
 1246mm
 Öffnungsverhältnis
 f/ 6,1
 Fangspiegel-Obstruktion (visueller Modus)
19,5%
 Bildfeldausleuchtung (100%, visueller Modus)
8mm
 Brennpunktlage über Tubus (visueller Modus) 55mm
Brennpunktlage über Tubus (fotografischer Modus) 100mm
Sucher
7 x 50
Tubusabmessung (Länge x Durchmesser)
1200 x 256mm
Gesamtmasse (mit Prismenschiene und Sucher)
11,5kg


Spiegelzelle für den Hauptspiegel:

Ein Newton-Teleskop sollte auf seinen schwerpunktmäßigen Anwendungsbereich optimiert werden. Wer hauptsächlich Mond und Planeten  beobachtet, wird besonderen Wert auf visuelle Kontrastschärfe legen. Dafür ist es neben einer guten  Spiegelqualität wichtig den Fangspiegel möglichst klein zu dimensionieren, um trotz der Obstruktion des Strahlenganges nur wenig Kontrast zu verlieren. Der Fangspiegel kann kleiner ausfallen wenn er dichter am Brennpunkt liegt, d.h. der Brennpunkt sich möglichst nahe an der Tubuswand befindet.

Leider ermöglicht ein tiefer Brennpunkt keine Fotografie mit KB-Kameras, da die zusätzliche optische Weglänge der Kamera von ca. 45mm berücksichtigt werden muss. Bei einer Optimierung des Newtons auf Fokalfotografie muss deshalb der Brennpunkt mindestens ca. 100mm über der äußeren Tubuswand liegen. Dadurch, sowie zur gleichmäßigen Ausleuchtung des KB-Bildformats ist ein größerer Fangspiegel erforderlich.

Natürlich will man mit einem Allround-Teleskop beide Anwendungen abdecken, und möglichst wenig Kompromisse machen. Deshalb wurde ein System konzipiert, dass mit relativ wenig Aufwand zwischen beiden Betriebsarten umgerüstet werden kann. Im Idealfall soll dabei auch die Kollimation der Optik erhalten bleiben.

Das Teleskop hat also zwei Betriebsarten:


Die Funktionsweise der Hauptspiegel-Zelle ist wie folgt:
Die Trägerplatte des Spiegels lässt sich über 3 Führungen in Längsrichtung um 45mm verschieben. In der oberen und der unteren Position gibt es je 3 Justierschrauben für die Kollimation. Zentral greift an der Trägerplatte von der Rückseite der Zelle eine kurze Zugschraube oder eine lange Druckschraube an, wodurch die Trägerplatte gegen die jeweiligen Justierschrauben gedrückt wird.

Das folgende Foto zeigt links die untere (hintere, visuelle) Position, und rechts die obere (vordere, fotografische) Position der Trägerplatte. Der Spiegel selbst wird mit einer 9-Punkt Auflage nach hinten abgestützt, und nach vorne mit 2 Bügeln gehalten. 3  Exzenterbolzen ermöglichen die radiale Ausrichung des Spiegels.



Zentral in der hinteren Abdeckplatte wird eine der beiden Spannschrauben von Hand eingeschraubt. Durch die Vorspannkraft liegt die Trägerplatte immer an den Justierschrauben an.



Hier ist der Umbau von visueller zu fotografischer Betriebsart gezeigt. Die kurze Zugschraube (links) wird entfernt, die lange Druckschraube wird eingedreht und nach vorne geschoben, und dann durch Anziehen des Knopfes verspannt. Fertig.


Hier sind Zugschraube und Druckschraube zu sehen:



Die Justageelemente der Spiegelzelle:
- linkes Bild: die kurze Schraube links ist eine der 3 Justierschrauben für die untere Position. Hier liegt die Unterseite der Trägerplatte auf. Die lange Messing-Gewindestange gehört zur Einstellung der oberen Position.
- mittleres Bild: für die obere Position drückt die Oberseite der Trägerplatte gegen die eingeklebte Mutter der Gewindestange.
- rechtes Bild: Hier ist einer der beiden Haltebügel zu sehen. Diese decken ziemlich genau die beiden Streifen am Rand der Spiegeloberfläche ab, wo der Spiegel beim Bedampfen auflag und sich somit kein Belag befindet. Außerdem verstecken sie ein paar Randabplatzer... :-))



In der ersten Ausbaustufe war die Spiegelzelle nach hinten relativ luftdicht abgeschlossen. Es war kein Lüfter zur schnelleren Temperaturanpassung des Spiegels vorhanden. In einer der ersten Nächte hat der Newton einen extrem detailreichen Jupiter gezeigt, deshalb war ich davon überzeugt dass eine Belüftung nicht erforderlich ist.

Während der letzten Jahre hat sich jedoch bei einer Vielzahl von Newton-Nutzern die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine Zwangsbelüftung während der Beobachtung hilfreich ist. Sie soll ein Warmluftpolster unmittelbar vor der Spiegeloberfläche zerstören, und verhindern dass warme Luft im Strahlengang die innere Tubuswand entlang nach oben steigt. Um eine solche Belüftung zu realisieren wurden zwei nach außen blasende Lüfter in die Rückwand der Spiegelzelle montiert.



Halterung des Fangspiegels:

Die Streben der Haltespinne treffen sich nicht exakt in der Mitte, sondern haben einen Versatz um 12mm. Dadurch erreicht man eine wesentlich größere Steifigkeit gegen Verdrehen des Fangspiegelhalters. Die Beugungserscheinungen sind identisch zur konventionellen Ausführung.

Der Zentralkörper der Spinne ist längs zur Aufnahme des Messing-Bolzens der Fangspiegelhalterung durchbohrt. Zusätzlich wird mit zwei Paßstiften sichergestellt dass der FS-Halter reproduzierbar an der Spinne montiert wird. Die 3 Justierschrauben für den Fangspiegel befinden sich direkt am FS-Halter, sie  sind also für jeden Fangspiegel  individuell vorhanden.



Drehkranz für den vorderen Tubusteil:

Einer der größten Nachteile eines parallaktisch montierten Newtons ist die Notwendigkeit den Tubus immer wieder in den Rohrschellen zu drehen, wenn sich die Blickrichtung am Himmel wesentlich ändert. Der Okularauszug zeigt dann bekanntlich immer in eine andere Richtung, und ist häufig nicht einsehbar.
Im einfachsten Fall ist der Tubus mit zwei Rohrschellen an der Montierung befestigt, die man dann zur Drehung des Tubus lockert. Mit mehr oder weniger großer Anstrengung lässt sich dann das Rohr in den Schellen drehen. Bessere Ausführungen verwenden Teflon-Gleitbeläge in den Schellen.

Ein erster Ansatz beruhte auf einer Schellen-Lösung, wobei die Schellen eine Wälzlagerung oder Laufrollen beinhaltet hätten, um ein leichtes und dennoch spielfreies Drehen bei hoher Steifigkeit der Anordnung zu ermöglichen. Jedoch fand ich keine überzeugende Lösung, die ich mit  meinen Fertigungsmöglichkeiten hätte umsetzen können.

Bei einer alternativen Lösung befindet sich die Dreheinrichtung am vorderen Tubusteil, so dass in diesem Fall nur der Okularauszug, Fangspiegel und Sucher gedreht werden. Hier hat man den Vorteil dass die auftretenden Kräfte wesentlich kleiner sind, und sich mechanische Ungenauigkeiten wegen des kürzeren Abstands zum Fokus weniger stark in der Bildebene auswirken.
Ein Nachteil ist hierbei jedoch die Rotationsbewegung innerhalb der kollimierten Optik. Es muss also sichergestellt sein dass die Kollimation bei Drehung des vorderen Teils nicht verloren geht. 

Der feststehende Tubusteil wird nicht über Rohrschellen mit der Montierung verbunden, sondern über eine fest am Tubus montierte Prismenschiene.

Die konkrete Realisierung sieht so aus (nachfolgendes Bild):
2 Ringe mit 260mm Außendurchmesser bilden die Basis des Drehkranzes. Einer davon hat auf der Innenseite eine V-förmige Nut, in die an 4 Stellen Lagerböcke eingreifen. Die Lagerböcke tragen einen Polyamid-Gleitbelag, der als 90°-Winkel ausgebildet ist. Dadurch taucht er in die V-Nut ein und die Anordnung kann mit etwas Vorspannung spielfrei eingestellt werden.

Bin mal gespannt ob die Sache wie gewünscht funktioniert...





Versteifung und Befestigung des Tubus:

In den vergangenen Monaten hatte ich bereits einige Voruntersuchungen, z.B. FEM-Berechnungen, zu einer passenden Selbstbau-Montierung für den Newton durchgeführt. Insbesondere standen dabei die Strukturelemente der Montierung (z.B. Achsen, Lagergehäuse, Stativ) bezüglich ihrer Verformung im Vordergrund.

Ebenso wichtig wie die Steifigkeit der Montierung ist aber auch der Tubus selbst, sowie vor allem die Verbindung des Tubus mit der Montierung. Ich verwende einen Hartpapier-Tubus mit einer Wandstärke von 3mm, der bereits recht steif ist im Vergleich zu dünnwandigen Alu-Tuben. Trotzdem war eine FEM-Analyse zur Verformung des Tubus aufschlussreich.

Man kann davon ausgehen dass im normalen Betrieb vor allem die Bildbewegungen stören, die beim Fokussieren entstehen. Deshalb sollte die gesamte Teleskopstruktur eine möglichst hohe Steifigkeit aufweisen, damit das Bild beim Fokussieren möglichst ruhig steht. Die Analyse des reinen HP-Rohres zeigte eine Nachgiebigkeit des Tubus, die deutlich größer ist als mein selbst gesetztes Ziel für die parallaktische Montierung. D.h. der Tubus wäre die Schwachstelle des gesamten Systems im Hinblick auf die Steifigkeit gewesen.

Durch Einfügen  von zwei Versteifungsringen aus Alu, und einer Verbreiterung der Befestigungsbasis des Tubus an der Prismenschiene verbesserte sich das Verhalten ganz erheblich.  Das folgende Foto zeigt die Bauteile im Bereich der Tubusbefestigung (ohne den Tubus selbst).

Die Prismenschiene (unten) wird über 2 Anschraubflansche mit dem Tubus verbunden. Im Innern des Tubus nehmen die beiden Ringe die Kraftspitzen an der Befestigungsstelle auf, und stützen den Kreisquerschnitt des Rohres bei Belastung. Oben gegenüber der Prismenschiene ist ein Handgriff befestigt, der Transport und Handhabung des Tubus erleichtert. Außerdem sind 4 Anschraubpunkte vorhanden, an denen z.B. ein Leitrohr steif montiert werden kann.




Der Okularauszug nach Crayford-Prinzip:

Wieso sind gute Fokussierer eigentlich so teuer? Kann man das nicht für wenig Geld selber machen? Man kann, aber es ist ein ganz schöner Aufwand...
Das Crayford-Prinzip bei Okularauszügen basiert auf 4 Rollen und einer Andruckwelle. Die verschiebbare innere Hülse des Auszugs läuft auf den 4 Rollen, die Welle übt die erforderliche Andruckkraft aus. Über Reibung wird die Hülse festgehalten, bzw. bei Drehung der Welle  kontrolliert verschoben.

Knifflig ist vor allem die Abstimmung der Anordnung, um einerseits ein leichtgängiges und ruckfreies Verstellen zu erreichen, zum anderen aber auch eine ausreichend hohe Haltekraft. Erst nach mehreren Anläufen hatte ich eine brauchbare Kombination von Reib- und Gleitwerkstoffen und Wellendurchmesser. An einer Seite der Welle ist dem Betätigungsknopf ein 6:1 Getriebe zur Feinverstellung vorgeschaltet. Damit ergibt sich ein Verstellweg von 9,5mm bzw. 1,6mm pro Umdrehung.



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(c) Martin Raabe 2005/2008